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ToggleWien, 26.10.2020
Ping! E-Mail im Posteingang. Landet im Spam-Ordner. Passiert des Öfteren auch mit Post, die dort eigentlich nicht hingehört. Sollte endlich die Einstellungen der ankommenden Botschaften überprüfen. Seltsam diese Mail ist an meinen Freund gerichtet, der vor zehn Jahren verstorben ist.
Auch interessant, dass der E-Mail-Account noch aktiv ist. Aber noch viel spannender ist, dass der Absender dieses Mails auch schon 16 Jahre (2010) tot ist.
Das Internet vergisst nie und niemand, sagt man. Solange es Strom und ausreichend Speicherkapazitäten gibt.
Diese bizarre Nachricht in meinem virtuellen Postkastl erinnerte mich an eine Geschichte die ich vor sechs Jahren (2014) verfasst habe.
Wenn Tote aus dem Internet zu Dir sprechen
Es gibt ja Menschen, die sind davon überzeugt mit dem Jenseits in Verbindung treten zu können.
Sprich mit den Verstorbenen Kontakt auf zu nehmen und dann Botschaften an die (Über)Lebenden weiter zu geben. Ob das nun funktioniert oder nicht, sei dahin gestellt. Dazu braucht es vorweg den Glauben an das Jenseits, wo wir Lebewesen nach dem Ableben landen. Und/oder auch die Seele. Ich denke, es ist eine Art von Bewältigung der Trauer, ein Trost, dass der geliebte Mensch, nicht völlig im Nichts verschwunden ist. Wahrscheinlich auch deswegen, weil wir uns das Nichts nicht vorstellen können.
Backen + Waschen
Gerade heutzutage hat man den Eindruck ohnehin innerhalb von kürzester Zeit zu Allen Zugriff zu haben. Klick, und schon ist „es“ da. Zeit hat ebenso keiner mehr, obwohl es unzählige Maschinen und Geräte gibt, die uns unsere Arbeit abnehmen. Und obwohl wir auch in Sachen Mobilität unzählige Hilfsmittel haben, besuchen sich Menschen immer weniger, so meine Wahrnehmung. Ich verteufle die Moderne Welt mit all den elektronischen Errungenschaften nicht, nein ich nutze sie gerne. Sie schenkt mir persönlich tatsächlich mehr Zeit. Während meine schmutzige Kleidung in der Waschmaschine 1000 Umdrehungen in der Minute dreht, kann ich ein delikatestes Gugelhupf Rezept aus dem Internet ausprobieren.
Musik + Kater
Mein Backofen kümmert sich um die Vollendung dieser Süßspeise und ich kann nebenher meiner Musik lauschen. Aber zuvor füttere ich noch meine Geschirrreinigungsmaschine, damit sie mir das grausliche Abwaschen abnimmt. Somit bleibt mir Zeit, um mich um meine beiden Kater zu kümmern, die ohnehin nichts Besseres zu tun haben als zu Fressen und zu Schlafen. Ich nehme ihnen das keineswegs übel, nein ich beneide sie dafür. Vorwiegend dann, wenn sie sich gnadenlos unter meiner Decke an mich kuscheln und keinerlei Rücksicht darauf nehmen, ob ich auch genügend Platz habe.
Gugelhupf + Kaffee
Der Gugelhupf steht herrlich duftend in der Küche. Bohnen reiben, ab in die Filterkaffeemaschine. Milch in der Mikrowelle kurz aufgewärmt um feinen Schaum zu schlagen. Das mache ich tatsächlich mit der Hand, deshalb nenne ich meinen Schäumer auch Milchwichser. Nebenbei schnell mal im Internet nach gesehen, wie dieses Gerät den tatsächlich heißt. Wahnsinn, die gibt es auch schon mit Strom!
Kaffee, Gugelhupf und ab ins wwNetz. Mails lesen, wobei da kommen vorwiegend unanständige Briefe von bösen Mädels. Ich brauch einen Mann, keine versauten geilen Dreckschlampen.
Nun, wie viele Hakerln haben sich seit dem letzten einloggen angesammelt? 95 Freunde und keine Sau schreibt. Was gibt es Neues von den Freunden. Was ist das?
Botschaften
Herr XY hat sein Horoskop erstellt. Wie? Der ist doch vor 3 Jahren gestorben. Eine Stimme aus dem Jenseits? Und was sagt das Horoskop des Herrn XY: Du wirst noch schöne Tage auf dieser Erde erleben. Die Sterne werden schon wissen, was sie da verkünden.
Frau H. hat heute Geburtstag, gratulieren sie ihr! Frau H. ist gleichfalls schon verstorben. Gut natürlich kann ich weiterhin zum Geburtstag gratulieren, aber auf die Pinnwand posten?
Herr G. leider auch vor kurzen verstorben. Er lebt weiter im wwNetz. Viele Menschen, die ihn kannten, hinterlassen Botschaften. Ein Kondolenzbuch in der virtuellen Welt.
Gefällt mir...
Es ist ja ohnehin von Vorteil, wenn man zu Lebzeiten ein Testament verfasst. Egal ob es was zu vererben gibt oder nicht. In Hinblick auf die neuen sozialen Netzwerke ist es wohl auch ratsam, hier seine Wünsche zu deponieren. Will ich auf ewig im wwNetz weiter leben? Was werden die Freunde posten? Werden sie mir endlich sagen, was sie tatsächlich über mich gedacht haben? Was wird das Netz von mir weitergeben, was ich nie bestellt habe? Frau B. mag Linsen – klicke „GefälltMir“ – wenn Du auch Linsen magst. Ich verabscheue Linsen.
Testament
Vielleicht poste ich mein Testament, damit keine Unstimmigkeiten entstehen. Selbst auf die Gefahr hin, dass sie dann von digitalisierten DurchschnittsZufallsStatistik-Formeln gnadenlos ignoriert werden. Möchte ich auf ewig für jedermann sichtbar bleiben? Zu Lebzeiten überlesen und lediglich eine zusätzliche Person auf deren unendlich langer Freundesliste sein? Auf der anderen Seite, doch sehr verführerisch der Gedanke, als Social-Media-Mumie weiter präsent zu sein.
Ich werde es Euch durch ein Medium mitteilen, wie sehr es mich freut, dass ihr mich nicht vergessen habt.