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ToggleWien, 05.11.2020
Ja, sie ist noch da! Meine Allerliebste. Zuletzt getroffen am Montag.
Viel ist in den vier Jahren wieder passiert. Bei ihr und auch bei mir. Wir wissen übereinander Bescheid.
Ich durfte für die musikalische Unterhaltung bei Ihrer Hochzeit sorgen. Sie hat mich bei sämtlichen Ausstellungen unterstützt. Bilder mit mir aufgehängt, sich um das leibliche Wohl der Gäste gesorgt. Zu meiner Kunst hat sie zwar ein ambivalentes Verhältnis, dennoch hängt ein Bild von mir in ihrem Schlafzimmer. Sie liebt meine Geschichten, die ich verfasse. Mittlerweile ist sie abermals umgezogen – das sechste Mal seitdem ich sie kenne. Verkehrstechnisch leicht zu erreichen, am anderen Ende der U-Bahn, die hier bei mir ihre Endstation hat – oder umgekehrt; kommt darauf an von welcher Seite der Donau man es betrachtet.
Es ist gut, verdammt gut, dass sie nach wie vor meine Allerliebste ist.
Hoher Besuch
Heute war es wieder soweit. Endlich. Die Vorfreude begann schon heute Nacht und ich konnte noch weniger schlafen als ich es ohnehin schon tue. Also habe ich meine Wohnung etwas zurechtgemacht. Mein Domizil ist nichts für Puristen und schon Garnichts für Bildergeradehänger. Eher eine Melange an Notlösungen.
Daher auch liebevoll meine Kreativbaustelle genannt. Die notwendigsten Handgriffe Hausarbeit (Katzenklo ausmisten, ein wenig kehren, Geschirr wegräumen, Mist ausleeren und auf meinem Schöpfungssofa Platz machen) sind schnell und halbwegs schmerzfrei zu schaffen.
Sie soll sich ja wohl fühlen und nicht denken, ich sei ein Messie. Kreativ künstlerisch ja, aber nicht verwahrlost. Nachdem ich also, die letzten Brösel von der Sitzbank entfernt hatte, ruhte ich noch ein wenig, um fit für den Besuch zu sein.
Kaffee oder Tee
Um 12 Uhr mittags war sie dann endlich da. Meine Allerliebste. Quirlig mit ihrer wuscheligen Haarpracht und fröhlich wie immer empfing ich sie an der Haustüre. Sie kam mir mit zwei prallgefüllten Einkaufstaschen strahlend entgegen. Bevor sie diese noch abstellte, streckte sie mir ihre gespitzten Lippen für einen Willkommenskuss entgegen. Dann eine innige warme Umarmung.
„Kaffee oder Tee“, fragte ich. „Tee, aber jetzt schau mal hier“ Sie stellte die schweren Sackerl auf den Küchenschrank. Ich stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd und löffelte das Kaffeepulver in den Filter der Maschine. Währenddessen breitete sich vor mir eine Delikatesse nach der anderen aus.
Drei Sorten Schinken, 2 Sorten Käse, Mandarinen, Miniparadeiser, Orangensaft, 2 Packungen Kaffee (mein Lieblingskaffee!), 1 Packung Kekse, 1 Paar Sacherwürstel, 10 Semmeln, 1 Dose Liptauer und als Krönung ein Brathendl. „Du hast sicher schon lange keines gegessen“, sagte sie. Wie Recht sie hatte. Ach und an meine Katern hat sie auch gedacht und ihnen 2 Dosen Futter mitgebracht.
Freudentränen
Ich musste erst einmal kurz durchatmen und einen Schritt zurück treten, um diese Pracht ein Leckereien zu bestaunen. Weihnachten schon heute! Dankbar mit einem Tränchen im Auge drückte ich meine Allerliebste. Ich verfrachtete den Großteil der kulinarischen Gaben in den Kühlschrank. Üblicherweise war es da drinnen sehr übersichtlich und hell. Nun war der Eiskasten so voll gefüllt, wie schon lange nicht. Gemeinsam stellten wir uns einen opulenten Brunch zusammen.
Verlust
Die heutigen Stunden waren intensiv wie immer. Besonders emotional waren ihre Erzählungen über die Gedenkmesse für ihren Vater, der vor Kurzem verstorben ist. Diesen kleinen weißhaarigen, charmanten, sehr klugen Mann durfte ich auch Kennenlernen. Ebenso ein ganz wertvoller Mensch, genau wie meine Allerliebste.
Jetzt wo phasenweise wieder kleine Lichter in meiner Höhle aufflackern erkenne ich diese unschätzbare Freundschaft noch viel mehr als Geschenk. Oft beneide ich Menschen, die unzählige Freunde und Familie haben und rundum betreut werden. Und so manches Mal habe ich mich gefragt, warum ich so allein gelassen durchs Leben gehe.
Tritt in den Hintern
Aber heute konnte ich dieses Hadern mit der Einsamkeit in meinem Herzen ein bisschen eindämmen. Meine einzige Freundin und Allerliebste hat es wieder einmal geschafft. Sie hat mich mit ihrer gut dosierten Mischung an Tritten in meinen Hintern, Ausdauer, Geduld und unendlich viel Zuversicht und Liebe ein wenig aufgerichtet. Sie wird es solange und sooft tun, wie es nötig ist. Und ebenso möchte ich das für sie tun, denn wir können nur zufrieden sein, wenn es uns Beiden gut geht.
Überdies bin ich heute so voll gegessen, wie schon lange nicht und es ist noch ausreichend Essen für die nächsten Tage da.
Kostbarkeit
Für dieses menschliche Kunststück erhält sie von mir einen ganz besonders strahlenden Stern in meine HALL OF FRIENDS! Zusätzlich noch einen EhrenStern für ihr Engagement und die Leidenschaft in ihrem Beruf als Sozialarbeiterin, Bewährungshelferin und ihre Besuchsdienste bei alten kranken Menschen.
Selbstverständlich erhalten auch ihre Kinder und der Traummann einen Stern. Allesamt meine Adoptivfamilie.
Danke, ich liebe Dich meine Allerliebste.
Jeder Mensch sollte eine Kostbarkeit wie meine Allerliebste an seiner Seite haben.
Geschenk
Meine Allerliebste bekommt morgen (13.12.2014) ein ganz persönliches Geschenk von mir. "FischGeschichte von Bluesanne" ...zusammen gebastelt in ein kleines Büchlein.
03:28:21 2023-09-03