Seiteninhalt / Table of Contents
ToggleSamstagnacht. Das vorausgewählte Programm läuft im TV. Um nicht nach jedem Film oder nach jeder Serie zur Fernbedienung greifen zu müssen, setze ich Erinnerungen im dafür vorgesehenen Menü. So ist der Fernseher beinahe durchgehend täglich in Betrieb. Meist als Zweitmedium so nebenbei. Selten konzentriere ich mich auf Bild und Ton gleichzeitig. Mag sein, dass mir die akustische Berieselung ein wenig Gesellschaft in meine Alleingkeit vermittelt. Am Wochenende bevorzuge ich vorwiegend Unterhaltsames. Die klassische Samstagabendshow gibt es ja so gut wie nicht mehr. Aber auf so manchen Kanälen werden derart kurzweilige launige Sendungen spät nachts wiederholt.
Und so kam es, dass zu später Stunde neben lustigen Spielen auch Musik kredenzt wurde. Ein nicht ganz unbekannter, mittlerweile viel beschäftigter Fernsehmann verriet in einem Spiel, dass er Lieder von Eros Ramazzotti interpretieren könne. Spätestens nach dem ersten Ton ließ ich alles was ich bis dahin in der Hand gehalten hatte fallen. Mit staunendem Blick und ungläubigen Ohren verfolgte ich die Gesangseinlage. Da stand ein lässiger junger Mann in Jeans, karierten Hemd gekleidet und sang einen italischen Kuschelrock-Song als hätte er nie etwas anderes getan in seinem Leben. Die Augen dabei meist geschlossen, während aus seinem Mund die südländischen Worte purzelten.
Sofort sah ich mich am Meeresstrand in einem kleinen Café sitzend, Espresso genießend auf die entgegen kommenden Wellen schauend. Mit träumerisch verklärtem Blick auf den Sänger schauend. Völlig hingerissen von dem Soul. Die Seele offen, nackt lag sie vor mir auf dem heißen Mittelmeersand. Mein Körper durchlebte sämtliche Aggregatszustände. Völlig verwirrt von diesen heißkalten Emotionen fragte ich mich: „Was passiert da gerade“? Wohin trägst Du mich hin mit Deiner Leidenschaft dieses Lied zu singen? Deine Gemütsbewegungen tanzen aus dem Fernsehgerät durchs Zimmer in mein Herz. Volltreffer!
Verzaubert vermute ich in Dir eine ebenso intensiv ausgeprägte Emotion. Du stehst da nicht wirklich auf der Bühne. Nein, Du packst gerade Deine gesamte Sehnsucht in einen Koffer und reist damit weit fort. Weg von all den was weh tut, was nervt, was krank macht. Dieses emotionale Gepäck breitest Du nun vor Hunderttausenden Menschen aus. Damit alle es sehen, wie Du fühlst. Doch nur diesen einzigen Menschen schenkst Du diesen romantischen Moment. Welchen man festhalten möchte für alle Ewigkeit. Eine unendliche Umarmung mit Liebe für die Liebe. Der Augenblick, ein Bruchteil einer Sekunde wo man Gewissheit hat. Wo alles klar ist. Keine Zweifel mehr das Herz quälen und vor allem keine Fragen Dein Hirn plagen. Schockverliebt. Liebe auf den ersten Blick. Der Moment, wo Du ihr tief in die Augen siehst und nicht mehr loskommst.
Seit ich das im Fernsehen verfolgt habe, komme ich mehr los von diesen drei Minuten Auftritt. Ich frage mich, was es genau war, was mich nun fortan dazu veranlasst das Video in Dauerschleife in mich auf zu saugen? Die Leidenschaft, wieder nach langer Zeit zu schreiben. Italienische Musik in den Player zu legen. Längst verbuddelte Gefühle kriechen in meinem Körper umher und lassen mich träumen. Das Lied aus dem Jahr, als ich in die Freiheit flog. Voller Zuversicht, angstfrei. Wo selbst große Sorgen zwar Kopfweh verursachten, aber meine Gedanken gleichzeitig auf die Suche nach einer Lösung gingen. Egal was Dein Gesang in mir gekitzelt hat, es ist wunderbar. Ein zauberhaftes Gefühl, Augenblicke ohne Furcht und Angst. Völlig losgelöst von schwermütigen Gedanken. Sinnfrei, gleichzeitig total sinnvoll entspannt.
Zurzeit als der ursprüngliche Interpret, dessen Name bereits bei der Aussprache, erotisch angehauchte Bilder aufblitzen lässt, dieses Lied gemeinsam mit Tina Turner sang, warst Du noch ein heranwachsender Mann, ein Teenager. Vielleicht warst Du damals das erste Mal so richtig verliebt und tanztest eng umschlungen in der schummrigen Disco mit Deiner Angebeteten. Aufgeputscht mit all den pubertären Hormonen, die in Dir brodelten. Sämtliche Gefühle aus diesem rauschigen Moment resümieren geballt beim Gesang an diesen Abend, in dieser Show.
Holst Dir das Gestern ins Jetzt Bringst mir Heute das Gestern |
Gleich aus welchem Grunde auch immer es so geschehen ist, es ist wunderbar welche Magie es ausgelöst hat.
Selbst wenn es ganz einfach Professionalität, Erfahrung, stundenlanges Einstudieren oder nur Show war, es hat mich inspirierend berührt einige Worte dafür zu finden. Angenehm warme Gefühle zu erlauben und ein wenig los zu lassen. Mich zu spüren, anstatt der der üblichen Schmerzen.
Ganz bei mir zu sein. Mithilfe Deiner, für mich einzigartigen Interpretation eines mehr als zwanzig Jahre alten Songs in italienischer Sprache. Welche sicherlich eine geheime Zutat für die zu Herzen gehende Wirkung, anregend und erregend zugleich. Eine akustische Streicheleinheit für die Ohren.
„Cose della vita“ klingt bei weitem romantischer als „Dinge des Lebens“, oder?
Eros Ramazzotti hat den Song 1993 geschaffen, 1997 neu im Duett mit Tina Turner aufleben lassen, aber Du hast ihn für mich in diesen Moment zu etwas ganz Besonderen verzaubert.
Cose della vita - Eros Ramazzotti / 1993
Cose della vita - Eros Ramazzotti + Tina Turner / Live München 1998
Cose della vita - Klaas Heufer-Umlauf & Jan Böhmermann / 2014
Text: Bluesanne
04:02:55 2023-08-29