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ToggleEin Tagebuch, auch Diarium (lat. diarium) oder Memoire (frz. mémoire „schriftliche Darlegung“, „Denkschrift“), ist eine autobiografische Aufzeichnung, also ein Selbstzeugnis in chronologischer Form. (Quelle: Wikipedia)
Ich war überrascht, als ich den ausführlichen Beitrag im Lexikon des Internets gefunden habe. Vor allem erstaunlich wie weit die Geschichte über das Tagebuch zurück reicht. Nun, meine ersten schriftlichen Aufzeichnungen entstanden vor 43 Jahren. Zumindest diese, welche ich noch tatsächlich besitze. Geschrieben habe ich schon immer, habe ich festgestellt. Vielleicht war es damals wie heute Poesietherapie.
Die ersten Buchstaben notiert
Obwohl, wenn ich das geschriebene aus dem Jahre 1977 so lese, war es eher eine Art von kurzen Notizen über den Tagesablauf. Eine Art Logbuch, worin detaillierte Angaben über Abläufe im Vordergrund stehen. Es finden sich darin kaum Worte über Befindlichkeiten. Es liest sich eher langweilig und bringt mir wenig Einblick in mein Gefühlsleben. Seltsam. Mag sein, dass ich damals keine Worte dafür finden konnte. Oder auch die pure Angst, dass irgendwer meine Tagesberichte lesen würde.
Lange her
Dennoch finden sich darin Informationen, welche mein unspektakuläres Teenagerdasein beschreiben. Wie etwa meinen ersten Job in einem Supermarkt (Konsum), wo ich vier Wochen gearbeitet habe. Ein Horror, als total schüchternes junges Mädchen mit Kunden zu interagieren. Aber ich konnte mir von meinem ersten schwer verdienten Geld ein funkelnagelneues Fahrrad kaufen. Ich finde das genaue Datum, das Geschäft und den Preis über die ersten erworbenen Schallplatten. Ebenso entdecke ich den gesamten Speiseplan aus dieser Zeit, Sendungen welche ich mir im Fernsehen angesehen habe. Aber auch, dass ich sehr oft meine kleineren Geschwister und meine Cousine betreut habe.
Emotionslos
Allerdings befremdend derart emotionslose Zeilen zu lesen. Im Gegensatz zudem was ich mittlerweile seit 1996 in meinen Tagebüchern schreibe. Hier finden sich seitenweise Monologe über starke Gefühle, die mich bewegen. Verirrte Liebschaften, die meine Schreiblust oft über Jahre beschäftigen. Viele Geschichten, welche ich niemand erzählen kann, weil da niemand ist, der mir zuhört. Dutzende Seiten flehe ich an, mir Gehör zu schenken. Aber ich bekomme keine Antworten. Das Papier saugt lediglich geduldig meine Worte auf. Die meist schwarze Tinte verewigt Buchstabe für Buchstabe auf den zuvor noch weißen Blätter.
Buchstütze
Heute dient das kleine Büchlein meist als Ersatz für vieles was ich in meinem Leben vermisse. Regelmäßige soziale Kontakte, lange Gespräche ohne zeitliche Begrenzung. Meine Memoiren als emotionale Buchstütze, damit ich bei halbwegs klarem Verstande bleibe. Ein Platz wo sich Phantasie und Realität treffen und wunderbar über Träume austauschen können. Ziele definieren, Vergangenheiten endlich in der Versenkung verschwinden lassen, sobald sie schriftlich festgehalten werden.
Spiegel der Gedanken
Ein Geländer an dem ich mich festhalten kann, um nicht zu stürzen. Eine Krücke, bis ich wieder laufen kann. Mit der eigenen Hand etwas zu schreiben beruhigt, es zwingt einem dazu, sich zu konzentrieren, auf das eine. Einen Gedanken nach dem Anderen in Worte zu packen, unausgesprochen, aber dennoch aus dem Kopf. Raus damit. Ihr Kreiselgedanken, Hirntschechereien, fragmentierte Teilchen wirrer Gedankengänge. Vielleicht ergeben sie danach sinnvolle Geschichten, Erklärungen oder Erkenntnisse. Selbstreflexion par excellence, auch wenn die große Gefahr besteht, sich selbst völlig anders zu sehen als es andere tun würden. Wie ein Blick in den Spiegel, der mir auch nur ein verkehrtes Faksimile zeigt.
Schriftliche Polaroids
Ich denke, mein Tagebuch ist keine detaillierte Biographie. Es beinhaltet vielmehr eine Ansammlung von Momenten, die mich beschäftigen. Dinge, über die ich sehr viel nachdenke. Überlegungen die ich anstelle, aber es ist niemand da, den ich sie gleich mitteilen kann. Schriftliche Polaroid-Fotos.
Es hilft mir sehr, die Seiten mit meiner geistigen Arbeit zu befüllen. Aber es wird nie ein reales Gespräch mit einem adäquaten Gegenüber ersetzen. Das Tagebuch erträgt deine emotionalen Ausbrüche, aber es wird nie darauf reagieren, wird nie dagegen protestieren, oder mir zustimmen. Niemals wird es mich wirklich trösten oder bestärken können.
Selbstgespräche mit Feder
Sowie auch ein Weblog (Wortkreuzung aus englisch Web und Log für Logbuch oder Tagebuch) mir nicht reale zwischenmenschliche Interaktionen ersetzen kann.
Ich habe es nie als fiktiven Ansprechpartner betrachtet und es auch niemals als: „Mein liebes Tagebuch!“ angeredet.
Es kann lediglich ein Ort für Selbstgespräche sein, dessen Resonanz in Schall und Rauch verfliegt.
Tagebuchgalerie
verfasst am 17.11.2020 aktualisiert am 04.09.2023 ©Bluesanne
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